Erinnerungen ehemaliger Schüler

Uwe Krause,  Komponist, Pianist, Leiter der Komponistenklasse Halle bis 2007

…Eigentlich taten wir nichts anderes, als gemeinsam zu leben. Und zwar auf eine Weise, wie man dies tun sollte: einem gemeinsamen Ziel zustrebend, darum ringend auf ernsthafteste, aber auch heiterste und fröhlichste Art.

An das erste Treffen -im Dezember 1981 Musikhochschule Dresden- habe ich nur unvollständige Erinnerungen. Ich sehe mich mit anderen Kindern in einem unfreundlichen Raum an Schulbänken sitzen, ich sehe Herrn Wenzel an der Tafel demonstrieren, was für Möglichkeiten in einem Ton stecken, ich höre ihn,   von der damals schon fünf Jahre existierenden Kinderklasse in Halle erzählen, von Ferienkursen, Fußballspielen, Chor singen, Konzerten. Und er spielte uns eine Musik vor, wie ich sie bis dahin überhaupt noch nicht gehört hatte: „Wie eine Woge von Licht und Kraft“ von Luigi Nono.

Der erste Unterricht in Dresden wurde, wie in der Folgezeit häufig, durch ein Telegramm der organisatorischen Leiterin, Frau Hasselmann, angekündigt: „Morgen 14.30 Uhr Unterricht bei Herr Wenzel.“ Wir sollten verschiedene Begleitungen zu Volksliedern erfinden, und so setzte ich mich nach der Schule schnell hin und kritzelte zu „Wenn alle Brünnlein fließen“ vier oder fünf solcher „linken Hände“- etwa in dem Stil, der mir aus meinen Musiklehrbüchern vertraut war. Herr Wenzel hörte sie sich an und sagte danach lachend: „Uwe! Ich denke Du willst Komponist werden, nicht Kopist!“  In dieser Bemerkung, die mir das Blut in den Kopf trieb, liegt für mich der Schlüssel zu Hans- Jürgen Wenzels Besonderheit als Lehrer. Nicht das Vermitteln von Kenntnissen und Fertigkeiten stand für ihn im Vordergrund, sondern das Bemühen um Originalität, um Fantasie. Aus diesem Bestreben ergab sich ganz zwanglos seine Methode, die ich am ehesten als „Unpädagogik“ beschreiben würde. Hans- Jürgen Wenzel nahm nie, auch nicht den jüngsten gegenüber, ein Blatt vor den Mund, er war immer ehrlich mit seiner Meinung. Die konnte für uns Schüler natürlich schmerzhaft sein, zumal er sie gern auf sarkastische Weise äußerte. Dennoch lernten wir dadurch besser und schneller, worauf es beim Musik machen, in der Kunst, im Leben ankommt: seinen Beitrag zu leisten und dies auf ernsthafte und kompromisslose Weise zu tun. ….Die Klasse weitete diese aufrichtige, besondere Lehrer- Schüler- Beziehung in ein im besten Sinne Familiäres. Für mich als Exot an meiner allgemeinbildenden Oberschule war das Erleben einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten eine Offenbarung (und eine Rettung zugleich). Zwei Besonderheiten zeichneten die Klasse aus: Das gleichzeitige Beieinander von Kindern ganz verschiedenen Alters (8-18 Jahre) und deren Umgang miteinander (ich sehe noch Karsten Gundermann beim Erzählen von Gute-Nacht-Geschichten für die Kleineren) und die gemeinsamen Interessen aller.

In den Ferienkursen wurde abends gesungen, wurde Sport getrieben, wurde gemeinsam am großen Tisch komponiert, wurde diskutiert, wurden Geburtstage gefeiert (ich besitze noch einen wunderschön illustrierten Kanon von Karsten Gundermannn auf einen Text von Agnes Ponizil zu meinem 14. Geburtstag). Oft kamen Musiker, z.B. Friedrich Schenker oder Burkhard Glätzner und erzählten über ihre Instrumente. Ich erinnere mich an eine lange und hitzige Diskusion darüber, ob wir beweisen können, daß wir existieren, nachdem Dr. Hartmut Gorgs (von der Universität Halle) einen philosophischen Vortrag gehalten hatte. Wir Dresdener trafen uns oft unabhängig vom Unterricht, etwa um Konzerte zu besuchen, oder uns Spiele für die Ferienkurse auszudenken. Eigentlich taten wir nichts anderes, als gemeinsam zu leben. Und zwar auf eine Weise, wie man dies tun sollte: einem gemeinsamen Ziel zustrebend, darum ringend auf ernsthafteste, aber auch heiterste und fröhlichste Art.

Michael Schäferfreischaffender Musiker in Lübeck
Meine Mutter entdeckte in meiner Schreibtischschublade ein paar kleine Kompositionsversuche und kontaktierte Hans-Jürgen Wenzel. Kurze Zeit später fuhr ich mit zum Ferienkurs nach Hettstedt
Welches Erlebnis, welche Erfahrungen aus dieser Zeit möchtest du nicht missen?
Ich habe keine besonderen Erlebnisse, sondern die Zeit in der Komponistenklasse insgesamt in guter Erinnerung: Das gemeinschaftliche Musizieren in den Ferienkursen, die Konzerterlebnisse, die vielen Vorträge … Aber eine kleine Anekdote erzähle ich heute noch gern: Wir waren im Ferienkurs und versammelten uns morgens vor der Zimmertür von Gerd Domhardt, um ihm ein Geburtstagsständchen zu singen. Wir sangen leise, wir sangen lauter, wir sangen immer wieder, aber er kam nicht heraus. Wir sangen noch mal und noch mal, da kam er die Treppe hoch: er war gar nicht in seinem Zimmer gewesen!
Wir wurden ja von vier Komponisten betreut, bei denen wir in den Kursen regelmäßig Unterricht hatten. Wir haben viele Konzerte und Vorträge erlebt, mit Musikern und bildenden Künstlern Kontakt gehabt, selbst musiziert und gesungen. Das alles habe ich in guter Erinnerung
Ich werde regelmäßig über Aktivitäten informiert und zu Konzerten und Versammlungen eingeladen, zu denen ich aber (hauptsächlich wegen der großen Entfernung) nicht kommen kann. Ich war aber zum Treffen anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Klasse in Dresden. Es war eine schöne Zeit und ein tolles Konzert (meine erste Komposition für Kontrabaß wurde gespielt: was war das für eine Freude!). Ab und zu rufe ich Helga Hasselmann an und erkundige mich nach Herrn Wenzel, den wir ja leider auf gewisse Art und Weise auch verloren haben.
Vor ein paar Wochen sah ich einen Film, zu dem Karsten Gundermann die Musik gemacht hat. Da habe ich mich gefreut.
Im Jahre 1996 habe ich in Schwerin selbst eine Komponistenklasse gegründet: ich habe Komposition unterrichtet, einen Workshop gemacht, Konzerte mit Kompositionen der Schülerinnen und Schüler veranstaltet und auf CD aufgenommen.

Markus LangKirchenmusiker in Erfurt
So ganz genau weiß ich heute nicht mehr, wie ich zur Komponistenklasse gekommen bin. Wahrscheinlich bin ich über Frau Staudt, die 1976 Lehrerin an der Musikschule Halle-Neustadt war, vermittelt worden. Nebenbei habe ich schon immer ein bißchen „herumkomponiert”, da kamen dann meine Eltern, die sagten, das sei doch etwas für mich.
Ich hatte schon das Gefühl, daß das etwas Besonderes ist, es war ja schließlich die einzige Komponistenklasse, die es damals gab. Sämtliche Ferienkurse waren einzigartige Erlebnisse in dieser Zeit, es war schön, mit Gleichgesinnten und musisch begabten die Zeit zu verbringen, gemeinsam zu musizieren, gemeinsam zu singen, etwas zu unternehmen. Viel zu verdanken habe ich meinem Lehrer Herrn Müller, sowohl was das Kompositorische als auch was das Menschliche angeht.
Es gäbe ja von vielen Ferienkursen etwas zu erzählen. So erinnere ich mich an den Ferienkurs in Naumburg, es war einer der ersten. Dort ging es fußballerisch heiß her zwischen den Mannschaften Dynamo Wenzel, Torpedo Domhardt und Stahl Eisenhardt. Dort fand auch eine Teilaufführung der Dreigroschenoper statt mit Thomas Just vom Halleschen Theater als Mackie Messer und Herrn Wenzel als Universalmitwirkender u.a. am Klavier und als „Tante Polly”.
Oder wer kennt noch die Sinfonie der Wasserhähne, die in Güntersberge (Pionierlager) zur Uraufführung kam, ermöglicht durch die zahlreichen lockeren Wasserhähne im Waschraum.
Weiter erinnere ich mich noch an den Klaviertransport durch die Stadt Aschersleben(dort mußte ein Klavier hingeschafft werden, da in der Jugendherberge keines vorhanden war). Die Leute haben bestimmt nicht schlecht gestaunt, als ihnen vom LKW herunter Klaviermusik entgegenschallte, verursacht von Frank Zacher, der während der Fahrt kräftig das Klavier betätigte. Alles in allem war es eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte und die mich menschlich und musisch sehr geprägt hat. Heute bin ich nach einem Studium in Leipzig (Kirchenmusik, Klavier, Komposition) als Kirchenmusiker an der Erfurter Lorenzkirche tätig, schreibe hin und wieder Sätze für meine Chöre und wünsche allen, die sich mit dem Komponieren beschäftigen gute Inspiration bei ihrer nicht einfachen Aufgabe.

Joachim SeibtMagister Musikwissenschaften und Geschichte, Sänger u. Instrumentalist im ehem. „Lackschuh”
Ich erinnere mich zum einen, wie ich aufgrund meiner Komposition über “Das Wirtshaus im Spessart” doch tatsächlich einen Vormittag schulfrei bekam – so ca. in der zweiten Klasse – , um im Volkspark vor den versammelten Musiklehrern des Bezirks (o. ä.) diese vorzuspielen und wie wir auf dem Pioniertreffen (1988?) im damaligen Karl-Marx-Stadt unsere Kompositionen zu Gehör brachten. Neben vielen Anekdoten (Fußball-Krimis in Schulpforte, Yoga-Übungen mit Karsten Gundermann und Michael Flade und lustigem Mummenschanz/Theatereinlagen) sind mir aber auch – für mich damals unheimlich schwere – Gehörbildungs- und Theorieaufgaben z. B. in Schulpforte in Erinnerung, die wahrscheinlich eine seeeehr gute Grundlagen für mein musikalisches Tun (bis heute) gelegt haben.

Michael SchultzMagister Japanologie und Physik
Am Anfang hatte ich, so glaube ich heute, bestimmt nicht das Gefühl, an etwas Besonderem teilzuhaben, sondern sah in der Komponistenklasse so etwas wie eine Erweiterung der Musikschule. Dies änderte sich jedoch bald, zum einen durch die Ferienkurse und zum anderen vor allem durch die Erfahrung des Komponierens selbst. Während andere, z.B. Schulfreunde, „fertige” Musik hörten, schrieb man sich selbst seine eigene Musik. Dass die eigenen Werke als Resultate der eigenen Kreativität (und oft auch viel Schweiß) dann auch aufgeführt wurden, trug ebenfalls dazu bei, die Komponistenklasse und das Komponieren als etwas Besonderes zu erleben. Auch in Gesprächen mit „nicht komponierenden” Bekannten und Freunden kamen oftmals deren Erstaunen und Bewunderung über diese doch besondere Einrichtung zutage.

Welches Erlebnis, welche Erfahrungen aus dieser Zeit möchtest du nicht missen?
Es fällt mir schwer, ein einzelnes Erlebnis herauszugreifen. Ich erinnere mich auf jeden Fall gern an den Kompositionsunterricht im Haus von Herrn Wenzel in Döhlau. Wohl auch deswegen, weil in der Garage eine Tischtennisplatte einladend herumstand und das Haus selbst mit seinen vielen voll gestopften Zimmern immer wieder zu Entdeckungsreisen einlud. Und natürlich die Ferienkurse.
In Erinnerung ist mir das Pilzesammeln mit den russischen Komponistinnen verblieben. Diese hatten uns lauter sogenannte „Schweinsohren” sammeln lassen, welche bei späterem Nachschauen in Pilzbestimmungsbüchern sich als gesundheitlich zumindest bedenkliche Kahle Kremplinge entpuppten. Soweit ich weiß, haben aber alle den Pilzeintopf gut überstanden.
Davon abgesehen haben mich natürlich die Lehrer und einige (damals) ältere Schüler (z.B. Karsten Gundermann) beeindruckt. Mir haben besonders meine ersten Ferienkurse im Kloster Michaelstein, in Schulpforta und in Dessau gefallen. Die Atmosphäre war toll und es gab eine wunderbare Naturumgebung (außer in Dessau, aber da gab’s dafür das Bauhaus). Bei allen Ferienkursen kann ich mich noch an das Gemeinschaftsgefühl erinnern, die Gespräche über alles mögliche, an die Suche nach freien Klavieren zum Komponieren und die immer sehr ausgefallenen Ideen für die Abschlussfeiern. Je länger ich nachdenke, desto mehr Ferienkurse fallen mir ein, und alle waren auf ihre jeweilige Art etwas Besonderes.
Habe im Sommer meinen Uni-Abschluss als Magister Japanologie/Physik gemacht, werde wahrscheinlich in Japanologie promovieren und arbeite nebenbei als Übersetzer für Japanisch-Englisch-Deutsch.

Torsten GeipelIng. für Informationssystemtechnik
Jede Komposition verläuft unberechenbar. Komponieren lässt sich nicht bändigen und in vorkalkulierte Bahnen zwingen, außer man betrügt sich selbst. Durchs Komponieren erblicke ich mein schrecklich-wahrhaftiges Spiegelbild, mit den Möglichkeiten, meinen Unzulänglichkeiten, meinem wankendem Willen. Das Komponieren führt mich hinab und gleichzeitig an meine Grenzen. Klingt ziemlich pathetisch und gruselig, oder? Tut mir leid dafür, aber die Komponistenklasse bedeutet mir wirklich sehr viel!
Welche Begegnung mit einer besonderen Persönlichkeit war für Dich am prägendsten?
Vor allem die Begegnung mit Uwe Krause, glaube ich. Er ist ein toller Lehrer, eher ein Katalysator für eigene Ideen anstatt jemand, der nur sagt, wie man was machen soll. Manchmal ist unheimlich, wie genau er meine Gedanken lesen kann. Noch bevor ich sie selbst eigentlich verstehe. Eigentlich war fast jeder Ferienkurs ein Erlebnis für sich. Wenn ich nach den Kursen wieder meinem Studium oder ähnlichem nachging, war das, wie in eine andere Dimension zurückkehren zu müssen (man kennt das ja…). Ein leicht depressiver Kulturschock setzte ein und die ständig bohrende Frage, was tue ich eigentlich noch hier?

Lydia Gersonstudiert Agrarwissenschaften
Ich bin durch meinen Opa, Hans Jürgen Wenzel, in die Komponistenklasse eingetreten. Er hat mir die Musik und das Komponieren, außerdem das Klavierspiel schmackhaft gemacht. Ich habe und hatte immer das Gefühl, dass die Komponistenklasse etwas Besonderes ist und für mich bleiben die Erinnerungen auch etwas, dass sich mit Nichts vergleichen lässt.
Ich erinnere mich gern an das Zusammensein mit vielen Freunden, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe und an das gemeinsame Komponieren, ans Ideenhaben und darüber gleich mit jemanden sprechen zu können und diese Ideen wurden später durch die Musiker verwirklicht.
Ein mich sehr beeindruckendes Erlebnis war das Jahreskonzert in Amsterdam, ich glaube mein erstes, und die Musiker dort! Alle waren sehr herzlich zu uns und haben sich extreme Mühe gegeben, alle Wünsche zu erfüllen und uns einen erfolgreichen Abschluss unserer Arbeiten zu ermöglichen. Und trotzdem hatte ich immer das Gefühl, dass ich die Musiker alle kenne und sich in der kurzen Zeit ein freundschaftliches Verhältnis eingestellt hat – obwohl ich noch so jung war.

Stefan DalitzStadtarchäologe Brandenburg
Im Grunde genommen war mir zu Hause langweilig am Klavier, und Lust, immer das gleiche zu üben, hatte ich auch nicht. Meine Mutter versuchte mich immer zu disziplinieren, aber von den zwei bis drei Stunden Übungszeit am Klavier verbrachte ich mindestens die Hälfte damit, meine eigenen musikalischen Einfälle zu klimpern. Das fand ich als Kind schon sehr entspannend….
Am Anfang trainierte Gerd Domhardt mein Gehör. Wir saßen am offenen Fenster und er ließ mich alles, was ich identifizieren konnte, aufschreiben. Er rauchte dabei seine 7 cm langen Duett, bis mir die Luft wegblieb. Trotzdem ist mir diese familiäre und konzentrierte Anfangssituation sehr lebendig in Erinnerung geblieben.
Toll fand ich auch die vielen Besuche von Konzerten in der Philharmonie, die Ferienkurse, das Partiturlesen, die Analysen… Am intensivsten ist mir aber das Gefühl geblieben, was entstand, wenn meine eigene Musik von echten Musikern öffentlich aufgeführt wurde. Es klang meistens ganz anders, als ich es beim Aufschreiben gedacht hatte. Wunderbar waren meine beiden Kinderchorsätze „Septembermorgen” und „Spätsommerabend”, die aufgeführt worden waren.
Ja, die Tatsache, dass unsere Arbeiten alle aufgeführt wurden, war wohl für mich umwerfend, überwältigend…. das hätte ich jeden Tag haben mögen.
Die Ferienkurse mit unserem vielstimmigen Gesang, den Besuchen von und bei Malern, Ärzten, Musikern war für mich sehr, sehr schön und bereichernd. Herr Wenzel mit seiner Art, mit dem Klavier umzugehen – ich erinnere mich, innerlich ständig aufgeregt gewesen zu sein und vor Freude und Aufregung gebebt zu haben. Hier hatte ich meine Schüchternheit und meine Hasenfüßigkeit ein Stück weit überwinden können, obwohl ich fand, dass alle anderen viel besser waren als ich. ….
Da waren mal ein paar Schauspieler, die in der Drei Groschen Oper mitgespielt hatten, zu Gast im Ferienkurs, Willi Sitte vergesse ich nie und den einen Herzspezialisten fand ich sehr beeindruckend und charismatisch. Aber unsere Lehrer waren für mich auch was besonderes -die drei Kompositionslehrer Domhardt, Wenzel und Eisenhardt waren für mich besondere Leute.
Ich selbst mache auch noch Musik, aber nur neben der Arbeit ein bisschen. Das kann man sich anhören und ansehen auf der Seite www.short-circuit.rocken.de . Und ich habe mir alle meine alten Notenblätter und Übungen aufgehoben, weil ich mich davon einfach nicht trennen möchte.

Michael FladeKomponist ,  Dozent an der Musikhochschule Stuttgart

Warum bist du Mitglied der Komponistenklasse geworden? Hattest Du das Gefühl, dass das etwas Besonderes ist/war?

Die Musik, die da gemacht wurde, war mir zunächst ziemlich fremd, aber mein damaliger Lehrer (Thomas Müller) hat es verstanden, mir das breite Spektrum der Musik des 20. Jahrhunderts sehr einfühlsam nahe zu bringen. Am Anfang zeigte er mir vor allem Klavierstücke von Debussy und Janacek, dann Kompositionen von Messiaen, die mich sehr faszinierten. Später machte er mich mit der Musik der Zweiten Wiener Schule sowie mit Kompositionen Strawinskys bekannt, spielte mir aber auch Stücke von Nono, B. A. Zimmermann, Stockhausen, Ligeti, Lutoslawski oder Cage vor – manchmal von der Schallplatte, oft aber auch in genialer Weise am Klavier aus der Partitur (Aufnahmen mit neuer Musik aus dem Ausland waren damals ja selten). Diese Selbstverständlichkeit im Umgang mit neuer Musik – hörend, lesend, analysierend oder schreibend – war natürlich etwas ganz Besonderes und eine für mich sehr prägende Erfahrung, ohne die mein Leben vollkommen anders verlaufen wäre. Ich bin dankbar, in jungen Jahren einer Gemeinschaft angehört zu haben, in der die Beschäftigung mit neuer Musik völlig selbstverständlich war, in der der individuellen und schöpferischen Entfaltung der Persönlichkeit viel Raum gegeben wurde und in der vielfältige Interessen, die weit über das rein Musikalische hinausgingen, unterstützt und genährt wurden. Endscheidend war dabei,  mit vielen ganz unterschiedlichen und ausgeprägten Persönlichkeiten – Mitschülern, Lehrern, Musikern, Künstlern, manchmal auch Wissenschaftlern – in Kontakt zu kommen.